14.03.2018

Einer flog über das Kuckucksnest

Klassenspiel der 12. Klasse

Aufstand in der Heilanstalt

Waldorfschüler inszenieren „Einer flog über das Kuckucksnest“

Nach knapp zwei Spielstunden liegt eine düstere Kälte über der Heilanstalt. Ein Patient hat Selbstmord begangen, ein anderer wurde durch eine Hirn-OP kalt gestellt und anschließend durch einen verzweifelten Mithäftling mit einem Kissen erstickt. Der letzte Hoffnungsträger, ein scheinbar taubstummer Indianer, flieht aus dem Herrschaftsbereich der sadistischen Oberschwester. Theaterspiel als Erkenntnisprozess und Teil eines schulischen Abschlusses?

Mit dem Psychiatriedrama „Einer flog über das Kuckucksnest“ nach dem gleichnamigen amerikanischen Bestseller von Ken Kesey aus dem Jahre 1962 stellte die 12. Klasse der Freien Waldorfschule Balingen eine Parabel auf die Bühne, die unter die Haut geht. Die Welt als Heilanstalt unter dem menschenverachtenden Regiment der Schwester Ratched und ihrer brutalen Pfleger. Die Jugendlichen brachten im Patienten-Outfit mit Trainingshosen und Wollmützen das Publikum immer wieder durch Sprachwitz und Situationskomik zum Lachen. Etwa wenn der Stotterer Billy und die eingeschleuste Party-Mieze Candy in einer skurrilen Ehezeremonie zusammen geführt wurden. Aber solche Momente der Freiheit und des nächtlichen Regelverstoßes waren selten. So blieb das Lachen immer wieder im Halse stecken. Denn der Schrecken über den subtilen Terror der Pflegekräfte und über die zynischen operativen Methoden der Psychiatrie der 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts hielt bis zuletzt den Humor in Zaum. Durch ein kaltes Bühnenbild in den Klinikfarben weiß und grün, mit dem doppeldeutigen „Exit“-Ausgang im Hintergrund, blieb die schwarze Magie des Ortes immer präsent. Selbst dann, wenn die Depressiven und Psychopathen mit ihren liebenswürdigen Ticks oder der schlagfertige Rebell Randle McMurphy mit seinen kecken Sprüchen nach Auswegen suchten. Die Regisseurin Maria Radetzki hielt Humor und Tragik in der Balance. Wie ein lebendes Symbol war der Gekreuzigte in vielen Bildern anwesend. Der fast sprachlose Ruckly, der die Kopfoperation schon hinter sich hat, erscheint wiederholt mit unsichtbaren Nägeln an der Wand fixiert. Ein absurder Schmerzensmann im Clownskostüm!
„Sie stecken die Leute auf der einen Seite rein, und raus kommt, was sie sich wünschen.“ In diese Klage fasst der riesige Häuptling Bromden den Mechanismus der „schwarzen Maschine“, wenn er in unbeobachteten Momenten seinen verstorbenen Vater anruft. Als Hoffnungszeichen bleibt nur, dass gerade er dem Schrei der Wildgänse folgen kann und in der Schlussszene Richtung Kanada ausbricht. Die Spielfreude der 25 Jugendlichen, die mit großer Empathie das Schicksal ihrer Figuren gestalteten und zur Halbzeit auf offener Bühne einen Rollenwechsel durchführten, tauchte bei aller Düsternis das Bühnengeschehen immer wieder in ein warmes Licht. Auch benachbarte Schulen aus Frommern und Rottweil nutzen die Aufführungen zu einem lohnenden Theaterbesuch.

Holger Grebe

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